Ohne Kitsch: Mit der Familie Weihnachten feiern
Das in der Krippe liegende Kind hat nichts mit pompösen Fernsehshows oder romantischen Winterstimmungen zu tun. Gott macht Karriere nach unten: hinein in die unscheinbare Situation in einen Stall, weitab von Glanz und Glitzer, Reichtum und Macht.
Heute ist euch der Retter geboren worden
All das, was Ihrer Familie als schwere Pakete mit ins Leben gegeben ist, können Sie an der Krippe ablegen. Später wird dieser Jesus zu den Menschen sagen: »Kommt alle zu mir; ich will euch die Last abnehmen. Stellt euch unter meine Leitung und lernt bei mir, dann findet euer Leben Erfüllung« (Mt 11,28f.).
Die Weihnachtsbräuche haben ihre Mitte und ihre tiefen Wurzeln in dem Geschenk, das Gott selbst uns macht. Er schenkt uns Jesus von Nazaret, der aus der Welt Gottes hineinreicht in unsere Welt, der durch sein Leben, durch sein Sterben und durch seine Auferweckung zum Erlöser der Welt wird. Gott selbst kommt auf Sie als Familie zu und schenkt Ihnen in Jesus Christus seine Nähe und Geborgenheit. Weih-Nachten ist die von Gott geweihte Nacht. Wir feiern dann, dass Unheil Lind Dunkelheit unserer Welt in die Grenzen verwiesen werden. Die Rettung der Welt und die Rettung Ihres Lebens leuchtet auf in der Mitte der Nacht, in der Dunkelheit auch Ihres Lebens.
Es hat tiefen Sinn, dass die Geburt Jesu, wie sie die Frohe Botschaft des Evangelisten Lukas erzählt, begleitet wird von Licht, das als Einbruch Gottes in unsere materielle Welt zu verstehen ist. Die entscheidende Botschaft heißt: »Heute ist euch der Retter geboren worden in der Stadt Davids: Christus, der Herr!« (Lk 2,11).
Grunderfahrung von Nacht und Licht
Intensiver als in dieser Grunderfahrung von Nacht und Licht, von Hell und Dunkel, von Not und Erlösung können wir den Sinn unseres Lebens und der Welt kaum erspüren. Im Geheimnis der Heiligen Nacht wird unserem Leben der Reichtum an Sinn zugesprochen: Gott ist auf eurer Seite! Wenn Sie den Heiligen Abend in Ihrer Familie feiern, können Sie der Verheißung Gottes trauen, dass es mit unserem Leben gut gehen wird, trotz Krankheit und Konflikt, trotz Not und Tod.
Die Geschenke zu Weihnachten, die wir uns gegenseitig liebevoll geben, können sehr wohl mit dem Geheimnis dieser Nacht zu tun haben. Auch wenn es Ihnen der alljährliche Weihnachtsrummel oft erschwert, zwischen dem Geschenk Gottes an uns Menschen, nämlich Jesus Christus, und den Geschenken, die wir einander machen, einen inneren Zusammenhang zu entdecken: Hilflos ausgeliefert sind Sie der Glitzer- welt der Einkaufsstraßen allerdings nicht. Sie können in Ihrer Familie eine Gegenbewegung entwickeln und gemeinsam den eigentlichen Sinn suchen und feiern. Sie können selbst entscheiden, ob Sie mit Ihrer Familie auf der Ebene von Schokoladen-Weihnachtsmännern, Glühwein und kitschigen Liedern Weihnachten feiern oder ob Sie in der Familie Antennen entwickeln wollen, um in diesem Fest die Beziehung mit Gott zu entdecken und zu feiern. Und zwar so, dass aus diesem Fest Heilkraft für Ihr gemeinsames Leben entsteht, nicht nur in der Weih- Nacht, sondern in den vielen Alltagen im kommenden Jahr.
Vorbereiten in Ruhe und Gelassenheit
In der Vorbereitung auf dieses Fest ist es wichtig, eher weniger zu tun als zu viel. In der Familie ist es hilfreich, das Fest gemeinsam in Ruhe und Gelassenheit vorzubereiten, möglichst alle zu beteiligen und Kinder auch schon in die Verantwortung und Gestaltung mit einzubeziehen. Weihnachten in Ihrer Familie als Fest der Berührung mit dem Kind in der Krippe zu feiern ist nicht schwierig. Die Familie kann sich um die Krippe versammeln und das Evangelium, die Frohe Botschaft dieser Nacht - Lk 2,1-20, die Erzählung über die Geburt Jesu - lesen. Sie können gemeinsam mit Ihren Kindern zum Kind in der Krippe beten - für Ihre Freunde, die Oma und den Opa, für die Kinder in den Krankenhäusern und Elendsvierteln dieser Erde. In manchen Familien darf eines der Kinder zuvor die Jesusfigur in die Krippe legen, ein anderes Kind die Kerze vor der Krippe entzünden. Gemeinsam schweigend in das Licht zu schauen und dann zusammen die Kerzen des Weihnachtsbaumes anzuzünden ist eine Erfahrung, die Ihnen und Ihren Kindern unvergesslich bleiben wird.
Die Gestaltung des Heiligen Abends kann mit einem Weihnachtslied beginnen, das in der Familie immer schon eine Tradition hatte. Danach ist Vorlesen dran: Die Kindheitsgeschichte im Lukasevangelium ist ein Text, der auch in die Familie gehört und dort einen selbstverständlichen jährlichen Platz bekommen sollte. Wenn die Inhalte entsprechend mitwachsen, behält der Ritus aus der Kindheit für viele Jugendliche immer noch seinen Reiz. Die Bitten für andere Menschen in der Heiligen Nacht werden von Fünfzehnjährigen natürlich anders formuliert als von Sechsjährigen. Umso wichtiger ist es, dass Jugendliche auf ihre Weise den Heiligen Abend mitgestalten können. Ebenso können Jugendliche sehr wohl ein Gebet aussuchen; viele formulieren auch ein Gebet, oft ganz lebensnah und im Blick auf die Familienereignisse stimmig. Ein Beispiel: »Herr, drastische Momente hat uns dieses Jahr gebracht. Wir haben unerwartet schnell eine Hochzeit gefeiert, wir haben unerwartet von kommendem Familiennachwuchs gehört, und wir haben aber auch erfahren, wie schnell sich eine heile Welt in eine Welt wandelt, die uns in Verwirrung stürzt, uns verstummen lässt, uns Angst einjagt. Wir danken für all diese Erfahrungen, die du uns dieses Jahr geschenkt hast, und wir danken, dass du unser Bitten und Flehen erhört hast. Danke, dass Michaela mit uns ist. Amen. «
Weihnachtsliturgie in der Familie
Die Religiosität des Heiligen Abends birgt gerade die große Chance, alltagsnah und originär auf die Familiensituation abgestimmt zu werden. Einige Weihnachtslieder können eine solche kurze Weihnachtsliturgie in der Familie abschließen. Danach erst gibt es die Geschenke und das gemeinsame Essen. Ein solches Ritual kann auch weiterentwickelt werden, wenn die Kinder bereits aus dem Haus sind und vielleicht nur für den Weihnachtsabend zum gemeinsamen Feiern kommen. Sind die Enkelkinder mit dabei, ist die Gestaltung des Abends letztlich auf sie abzustimmen. Aber hier kommen die Erwachsenen dann wieder in Kontakt mit ihrem Kindheits-Ich von früher. Der Kreis schließt sich zwischen den Generationen. Für die vielen Menschen, die den Heiligen Abend ohne die lieb gewordenen Gewohnheiten mit den Kindern oder Enkelkindern feiern, bietet sich ebenfalls ein innerer Kern an: Mann kann auch zu zweit singen. Einer kann die Kindheitsgeschichte aus dem Lukasevangelium lesen. Fürbitten für Menschen in der Familie oder in weiter Ferne zum Kind in der Krippe zu tragen ist auch für älter gewordene Erwachsene eine Geste der Solidarität.
Hier einige Beispiele:
- Christus, du Retter der Welt, wir bitten dich in dieser Heiligen Nacht für unsere ganze Familie. Lass jeden von uns die richtigen Wege mit den Menschen und mit dir finden und das große Ziel nicht aus den Augen verlieren.
- Jesus Christus, du Kind in der Krippe, dir bringen wir unsere ganzen Sorgen und Hoffnungen. Begleite du unser Leben im nächsten Jahr.
- Jesus Christus, du Kind in der Krippe, du Retter der Welt, schau auf alle Menschen in ihren Nöten und in ihrer Verzweiflung. Stehe ihnen bei und sei ihnen Licht in ihrer Dunkelheit.
- Jesus Christus, du Kind in der Krippe, vor dich legen wir all das, was uns gelingt im Leben, vor dich legen wir aber auch alle Sorgen und Ängste. Stärke uns in Krankheit und Not!
Mit einem gemeinsamen Vaterunser die kleine Weihnachtsfeier in der Familie abzuschließen ist für viele leicht möglich.
Weitab von Kitsch und Gefühlsduselei
Weihnachten so in der Familie zu feiern ist weitab von Kitsch und Gefühlsduselei. Gefühle dürfen in der Heiligen Nacht sehr wohl aufkommen. Was wäre dieses Fest ohne Emotionen! Sie sind aber eingebettet in sehr rationale Gebete, solidarische Fürbitten und nicht zuletzt in den heiligen Text aus dem Lukasevangelium. Wenn dann der Tannenbaum, die Krippe, die Geschenke, das gemeinsame Essen Ausdruck dieses inneren Kerns des Evangeliums sind, dann ist es nicht mehr eine Frage von Kitsch und Gefühl, sondern dann ist die Feier der Heiligen Nacht auch ein inhaltlicher Höhepunkt im gesamten Familienleben.
A. Biesinger