Mehr Freude – weniger Stress

Ein Interview mit Christof Horst, dem Projektleiter von „Kess-erziehen“ bei der AKF - Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e.V, über den Elternkurs „Kess-erziehen“.

In unserer konsum- und medienorientierten Gesellschaft setzen sich viele Eltern unter einen enormen Perfektionsdruck. Gibt es Alternativen zum Dauerstress in der Familie?

In der Tat erleben viele Mütter und Väter das Thema Erziehung als große Herausforderung und bisweilen als eine ungeheure Belastung. „Kess-erziehen“ lenkt den Blick darauf, wie Erziehung auch Spaß und Freude machen kann. Dies gelingt durch eine Grundhaltung, auf die das Kürzel „kess“ verweist, das für
kooperativ“,
ermutigend“,
sozial“ und
situationsorientiert“ steht:

Eltern und Kinder sorgen gemeinsam für ein gutes Familienklima, vereinbaren Regeln und lösen Konflikte so, dass keiner zu kurz kommt, also „kooperativ“. Ein „ermutigendes“ Verhalten der Väter und Mütter blickt auf die Stärken des Kindes, statt ständig auf Fehlersuche zu gehen. Eine „sozial“ orientierte Haltung berücksichtigt die sozialen Grundbedürfnisse des Kindes nach Zugehörigkeit, Mitbestimmung, Bedeutung, Geborgenheit und Liebe; respektiert aber auch die Bedürfnisse der Eltern. Insgesamt funktioniert Erziehung also nicht stur nach Lehrbuch, sondern geht „situationsorientiert“ auf die Möglichkeiten, Handlungen und Ziele von Eltern und Kindern ein.

Wutanfälle beim Zähneputzen, Gezanke ums Aufräumen oder Stress mit den Hausaufgaben - solche Situationen kennen wohl alle Eltern. Nicht selten fühlen sie sich dadurch verunsichert, genervt oder überfordert. Bietet „Kess-erziehen“ Unterstützung für schwierige Erziehungssituationen?

Ja, der Elternkurs ist sehr praxisnah konzipiert und gibt zahlreiche Impulse und Ideen, die das Familienklima nachhaltig verbessern, wie die jetzt vorgestellte wissenschaftliche Begleitstudie belegt. Der Elternkurs lenkt den Blick immer wieder auf das, was in der Familie gelingt, auf die schönen Situationen im Erziehungsalltag. Durch den Einsatz so genannter „Edelsteinmomente“ erleben Mütter und Väter das Zusammensein mit ihrem Kind wieder als Bereicherung. Doch auch für herausfordernde Situationen eröffnet „Kess-erziehen“ eine andere Perspektive: Wenn Kinder immer wieder auf dieselbe Weise nerven, empfinden viele Väter und Mütter das als störend. Sie versuchen dann, das kindliche Verhalten durch Drohungen oder Strafen zu bekämpfen und geraten dadurch in einen Kreislauf, der alle entmutigt. Der Elternkurs vermittelt Müttern und Vätern, dass störendes Verhalten ein deutliches Signal ist, mit dem Kinder auf ihre eigenen Bedürfnisse hinweisen, zum Beispiel nach mehr Selbstständigkeit. Dieser „andere“ Blick erleichtert das Miteinander im Alltag ungemein – Eltern fühlen sich dadurch spürbar und nachhaltig entlastet.

Eltern verfolgen sehr unterschiedliche Erziehungskonzepte und entwickeln sehr verschiedene Erziehungsstile: Ist „Kess-erziehen“ für alle Väter und Mütter geeignet?

Der Elternkurs richtet sich an Väter und Mütter - oder auch an Großeltern, die das Verhalten ihres Kindes / Enkels besser verstehen möchten und sich für den Erziehungsalltag nachhaltig stark machen wollen. Nach dem Kurs begegnen die meisten Eltern ihren Kindern verständnisvoller und fühlen sich in Erziehungsfragen viel weniger gestresst. Auch das belegt die wissenschaftliche Begleitstudie. „Kess-erziehen“ stärkt Väter und Mütter darin, ihrem eigenen Empfinden zu trauen und hilfreiche Handlungsoptionen für die unterschiedlichsten Erziehungssituationen zu entwickeln. Somit ist „Kess-erziehen“ quasi eine Fortbildung für Erziehende, die erfahrungsorientierte und lebendige Impulse für den Erziehungsalltag suchen.

Den Elternkurs „Kess-erziehen“ gibt es mittlerweile seit sieben Jahren. Welche Eltern fühlen sich durch das Kurskonzept angesprochen?

Durch die große Praxisnähe des Elternkurses erreichen wir die unterschiedlichsten Zielgruppen. So gibt es neben den normalen Kursangeboten der Familienbildung auch Projekte im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe. Für Familien mit Migrationshintergrund liegen die wesentlichen Inhalte in acht Sprachen vor. Auf Türkisch gibt es die kompletten Kursunterlagen.

Bundesweit wird „Kess-erziehen“ seit 2003 angeboten. Es war uns wichtig, ein Kurskonzept zu entwickeln, das in erster Linie auf das „Wie“ des Miteinanders in der Familie schaut und dabei zeitlich überschaubar ist: In nur fünf Einheiten vermittelt „Kess-erziehen“ wichtige Gedanken und Impulse für den Erziehungsalltag, die die Erziehungskompetenz und Problemlösefähigkeiten von Müttern und Vätern nachhaltig steigern. Mittlerweile haben über 40.000 Eltern einen „Kess-erziehen“- Elternkurs besucht und täglich erreichen wir bundesweit ca. 20 - 25 Eltern neu.